13.04.2023

Kastration

Kastration statt Erziehung- ist das der richtige Weg und welche Folgen entstehen daraus?

Die Pauschalkastration von Hündinnen und Rüden ist eine in der Praxis leider immer noch sehr oft durchgeführte Operation, obwohl sie lt § 6 des TschG verboten ist, bzw. nur der Eingriff im Einzelfall nach tierärztlicher Indikation geboten ist.
So regelt dieser Paragraph, dass das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres verboten ist.

Dieser Paragraph regelt eindeutig nach medizinischer Indikation, das bedeutet, das Organ muss erkrankt sein.

Eine allgemeine Vorbeugung, so nach dem Motto: Das Organ muss raus, damit es nicht erkranken kann, reicht bei weitem als Indikation nicht aus.
Sie lassen sich ja auch nicht vorbeugend die Milz oder den Blinddarm herausnehmen, auch wenn Sie ohne diese Organe leben könnten.

Ich schreibe diesen Bericht aus aktuellem Anlass, weil es doch leider noch so viele Tierärzte bzw. in meinem Fall Hundetrainer gibt, die einer Besitzerin eines 9 Monate alten Cavalierrüden raten, ihn doch endlich kastrieren zu lassen, damit man mit ihm auf dem Hundeplatz besser arbeiten kann und er vom weiblichen Geschlecht nicht mehr so abgelenkt würde.

Der Rüde ist in der Pubertät, noch nicht mal voll ausgewachsen und man bekommt solche xhirnverbranntenx, die Gesundheit und Entwicklung schädigenden Ratschläge von sog. Fachleuten, zu hören.
Einen Rüden vorbeugend zu kastrieren, um ihn dadurch erziehbarer zu machen, ist gesetzlich nicht gedeckt.

Das Ammenmärchen, dass er ja sowieso nicht als Deckrüde eingesetzt werden soll und man ihm dadurch den Stress durch die Hündinnen (evtl.Läufigen) durch eine Kastration ersparen kann, gilt ebenfalls nicht mehr.
In der Natur leben ebenfalls Rüden sowie Hündinnen in einem Rudel zusammen und nur die Ranghöheren kommen meist zum Zuge.
Die meisten Rüden kommen über das Analschnuppern einer läufigen Hündin auch nicht hinaus und sind nicht ihr Leben lang gestresst dadurch.

Ich darf hier einmal den Verhaltensbiologen Kurt Kotrschal zitieren, der sagte: xWer mit der Sexualität seines Hundes nicht klarkommt, soll sich keinen halten!x

Kastration, weil ein Hund dominant ist, ist ebenfalls im Einzelfall zu überprüfen.
Oftmals sind Hunde nur so, weil ihre Besitzer eben keine souveränen Führungspersönlichkeiten sind. So nimmt der Hund die Regelung verschiedener Alltagsprobleme eben selbst in xdie Pfotenx, da er es seinem Besitzer nicht zutraut, bzw. dieser auch nicht das souveräne Verhalten eines Chefs zeigt.
Besitzer von Hunden, die sich der Führungsaufgabe bewusst sind, haben komischerweise keine Probleme mit ihren pubertierenden Hunden, bzw. meistern diese Zeit eben mit Geduld und Konsequenz.

Nun zu den möglichen Folgen einer Frühkastration.

Ich möchte jetzt nicht so sehr in die biologischen Details gehen, nur soviel:

Durch die Anschaltung dieser xPubertätsgenex folgt ein Anstieg der Sexualhormone, die wiederum die Schilddrüse aktiv werden lässt.

Sowohl das Hormon Thyroxin als auch ein Wachstumshormon werden verstärkt produziert. Diese haben Auswirkungen auf den ganzen Körper und vieler Organe.

Unter diesem Einfluss wird das Längenwachstum der Röhrenknochen beendet. Die sog. Wachstumsfuge wird geschlossen. Weitere Umbauvorgänge an den Gelenken finden statt, sowie eine Verstärkung der Bänder, Sehnen und Muskeln. Beim Rüden etwas mehr als bei der Hündin, generell aber bei beiden.
Weiterhin wird unter dem Einfluss oben genannter Hormone das Herz-Kreislaufsystem und die Atmung gestärkt.
Dramatische Auswirkungen finden im Gehirn statt. Fehlen diese Hormone durch die Kastration, kann das unreife Gehirn nicht zum stabilen erwachsenen heranreifen, die Umbauprozesse finden nicht statt, d.h. diese Hormonschwankungen, die in der Pubertät bei Mensch und Tier stattfinden, mit ihren Stimmungsschwankungen, wie Reizbarkeit, Aggressivität, Unsicherheit aber auch Weinerlichkeit, sind wichtig, um das System für die Zukunft zu xstabilisierenx, um sich auf einen alltagstauglichen Mittelwert einzustellen.
Wird nun in einem Zustand solcher Hormonschwankungen der Hund kastriert, wird je nachdem in welchem emotionalen Zustand der Hund sich gerade befindet, er entweder für die Zukunft eher unsicher und stressanfällig sein oder eher eine explosive Aggressivität festgeschrieben sein.

So möchte ich zusammenfassen, dass es keine Rechtfertigung für eine Frühkastration gibt.

-Probleme in den Gelenken und Knochen (schlacksiger Gang)

-Herz-Kreislaufprobleme

-Verhaltensauffälligkeiten

-und beim Cavalier King Charles Spaniel leider ein unschönes Fellwachstum/ Fellveränderung

Eine Einzelfallkastration kann medizinisch gerechtfertigt sein, z.B. bei nicht vollständig abgestiegenen Hoden. Diese kann aber erst nach Abschluss der körperlichen und sozialen Reife des Rüden erfolgen.
D.h. geben Sie Ihrem Hund die Chance, dass er weitestgehend seine Verhaltensreifung durchgemacht hat und verschieben Sie die Kastration weit nach hinten.

Da ich hier im Rahmen diesen kleinen Berichtes nur das Thema etwas umrissen habe und nicht so ausführlich ins Detail gehen kann, empfehle ich das Buch zu lesen, welches hierfür auch meine Quelle war.

©Doris Steger im Mai 2013

Quelle: Kastration und Verhalten beim Hund von Sophie Strodtbeck und Dr. Udo Gansloser vom Verlag Müller Rüschlikon

Doris Steger - 18:29 @ Wissenswertes