13.04.2023
Es gibt wohl kaum eine Rasse, die nicht irgendwelche gesundheitlichen Probleme hat. Bei meist größeren Rassen überwiegen die Skeletterkrankungen, wie z.B. Hüftgelenksdysplasie oder Ellenbogendysplasie, bei kleineren Rassen eher die Patellaluxation. Deshalb sollte jeder, der sich für eine Rasse interessiert, sich auch über rassespezifische Probleme informieren, die in dieser evtl. auftreten können.
Der Cavalier stammt aus einer kleinen genetischen Zuchtbasis. Inzucht konnte dadurch nicht vermieden werden und so finden sich diese Ausgangstiere in wohl allen Ahnentafeln unserer heutigen Cavaliere. Durch diesen kleinen genetische Zuchtpol sind natürlich auch Probleme entstanden, mit denen sich heute alle Züchter auseinandersetzen müssen und die es zu bekämpfen gilt.
Cavaliere, die in der Zucht stehen, sollten auf alle wichtigen Erkrankungen untersucht werden und natürlich gesund sein. Um einen Erbgang zu erforschen und zu erkennen, wäre es ebenso sinnvoll die Nachkommen und/oder die Geschwister ebenfalls auf erbliche Erkrankungen zu untersuchen. Dies kann jedoch nur auf freiwilliger Basis geschehen.
So versuchen gewissenhafte Züchter, mit dem entsprechenden Wissen über die Erkrankungen verantwortungsvoll zu züchten.
Mitralklappeninsuffizienz (mitral valve disease-MVD):
Hierbei handelt es sich um eine degenerative Veränderung der Herzklappen. Funktionieren diese Klappen nicht mehr richtig, resultiert daraus eine Überlastung des Herzens und es kommt zu einer Schädigung oder Vergrößerung des Herzens.
Durchschnittlich können erste Auffälligkeiten zwischen 4 und 6 Jahren auftreten. Der Erbgang der Erkrankung ist wahrscheinlich polygen und zusätzlich von Umweltfaktoren beeinflussbar.
Deshalb ist es wichtig, über das Alter der Ahnen und deren Gesundheitsstatus Bescheid zu wissen.
Meine Zuchttiere, d.h. die Rüden werden jährlich und Hündinnen vor jeder Belegung auf Herzgeräusche mittels Auskultation und/oder Herzultraschall untersucht.
Auch bin ich immer gerne bereit, Studien zur genetischen Ursachensuche der Mitralklappenendokardiose zu unterstützen, indem ich meine Cavaliere für diese Untersuchungen zur Verfügung stelle (Med. Kleintierklinik, Kardiologische Abteilung München 2009 und 2013).
Syringomyelie (SM):
Jahrzehntelang nicht als Erkrankung erkannt, sondern als “Kratz-Syndrom” oder Eigenart des Cavaliers.
Es handelt sich hierbei um eine neurologische Erkrankung.
Das Problem entsteht durch einen zu kleinen Hinterhauptsknochen, so dass im Schädel des Hundes nicht genügend Hohlraum für
das Gehirn und die freie Zirkulation der Gehirnflüssigkeit bleibt. Dadurch wird die Flüssigkeit in den Wirbelsäulenstrang gezwängt und es entsteht eine Aussackung, genannt Syrinx.
Folgende Symtome zeigen sich durch diese Einengung:
Unkontrolliertes Kratzen, oft Phantomkratzen, da der Hund die Haut nicht mal berührt, vornehmlich im Schulterbereich, oft nur
einseitig.
Ausgelöst werden diese Symptome meist durch Streß, Aufregung oder das Spazierengehen an der Leine, die an einem Halsband
befestigt ist (Störfaktor Halsband!!)
Menschen mit dieser Erkrankung beschreiben die Schmerzen oder das Gefühl so, als ob Insekten über die Haut krabbeln und ein
wahnsinniges Brennen verursachen.
Es handelt sich dabei aber um keine Haut oder Ohrenerkrankung, sondern um einen neurologischen Defekt.
Befallene Hunde können ebenso im Kopf,- Nacken oder an den Vorderläufen empfindsam sein und oftmals schreien sie ohne Grund
auf.
Bestimmte Positionen der Kopfhaltung können ebenso schmerzhaft sein, deshalb nehmen betroffene Hunde oftmals eine
Schonhaltung ein.
Bei manchen Hunden sind Muskelatrophien beobachtet worden, vornehmlich auf der Seite, wo sie sich kratzen. Bei vielen Hunden wird ein schwankender Gang in den Hinterläufen beobachtet. Bei heranwachsenden Hunden können Nackenskoliosen vorkommen.
Anzeichen einer Erkrankung können im Alter von ca. 6 Monaten bis bevorzugt 3 Jahren auftreten, manchmal aber auch in späteren Jahren. Anhand der klinischen Symptome und durch MRT-Scan kann diese Erkrankung diagnostiziert werden.
Meine Zuchttiere sind im MRT in Vollnarkose auf Syringomyelie untersucht worden und frei von dieser Erkrankung.
Anmerkung:
Ein hoher Prozentsatz der untersuchten Cavaliere waren im MRT zwar auffällig, die meisten der so untersuchten Tiere zeigen
jedoch keinerlei Krankheitssymptome.
SM kommt auch bei anderen Kleinhunderassen vor, ist aber nennenswert nur beim Cavalier, dort vorkommend bei allen vier
Farbschlägen und beiden Geschlechtern.
Ein Erbgang oder die Art des Erbganges ist noch nicht bekannt.
Kratzen im Nacken- oder Ohrenbereich, sollte Sie aber zunächst veranlassen der Ursache auf den Grund zu gehen. Meist handelt es
sich um “Verlegenheitskratzen”, Hautproblemen, Parasiten (Milben) oder Allergien. Erst wenn solche Ursachen ausgeschlossen worden sind, sollte gezielt auf neurologische Ursachen hin untersucht werden.
Zuchtempfehlung:
Merkmalsträger werden von der Zucht ausgeschlossen.
Soviel wie möglich auf genetische Varibilität der Zuchttiere achten (keine Anhäufung von wenigen Championrüden).
Möglichst ältere, klinisch unauffällige Deckrüden verwenden
Möglichst MRT-untersuchte Partner mit dem Ergebnis A x A verpaaren oder wenn D, dann mit A verpaaren.
Seit 2012 gibt es ein neues Bewertungsschema:
Grad 0 Frei/Normal (a= über 5 Jahre, b= zwischen 3 und 5 Jahren, c= zwischen 1 und 3 Jahren)
Grad 1 Zentralkanaldilation/Präsyrinx< 2mm
Grad 2 Syringo/Hydro-)myelie, Präsyrinx mit/ohne Zentralkanaldilation > 2mm. Die Altersangaben entsprechend wie oben in Klammer.
Patellaluxation (PL)
Patellaluxation bedeutet eine Verlagerung der Kniescheibe aus ihrer Gleitrinne im Oberschenkelknochen. Die PL ist ein weit verbreitetes Problem bei vielen Kleinhunderassen. Deshalb wird diese Untersuchung vom Zuchtverband vorgeschrieben und nur Hunde mit der Einteilung 0 oder 1 werden in der Zucht eingesetzt. Da es zwei Kniescheiben gibt, finden Sie die Beschreibung der Einteilung in “frei von PL” oder 0/0 oder 1/0 oder 1/1.
Grad 0: keine Luxation feststellbar, nicht luxierbar.
Grad 1: in Beuge-und Streckbewegung kann die Kniescheibe durch Druck von medial/lateral luxiert werden. ein Einstellen des Druckes führt zur spontanen Reposition.
Erbliche Augenerkrankungen:
Studien in England und anderen Ländern haben ergeben, dass Cavaliere auch von Augenerkrankungen betroffen sein können.
Da die Untersuchung in Deutschland nicht verpflichtend ist, liegen demzufolge auch wenig Untersuchungsergebnisse vor.
Alle meine Cavaliere werden auf freiwilliger Basis von einem Augenspezialisten des DOK auf erbliche Augenerkrankungen untersucht.
siehe auch Links unten.
Die Probleme können nicht verharmlost werden, doch sollte man bei allen Erkrankungen, die ich hier aufgezählt habe, nicht
vergessen, dass der Cavalier meist ein problemloser, robuster und sportlicher Kleinhund ist, der auch eine durchschnittliche
Lebenserwartung von 10 bis 12 Jahren hat.
Mit Sicherheit gibt es andere Rassen, die wesentlich krankheitsbelasteter und kurzlebiger sind als der Cavalier. So habe ich aus eigener leidvoller Erfahrung meinen unheilbar erkrankten Berner Sennenhund Eddy im Alter von 7 1/2 Jahren einschläfern lassen müssen.
Durch konsequente Zuchtlenkungsmaßnahmen, die von gewissenhaften Züchtern durchgeführt und von den VDH-Zuchtverbänden überwacht werden, wird jedoch die Grundlage gelegt für gesunde und langlebige Cavaliere.
© Doris Steger im Juni 2009
Quellennachweise/Literaturverzeichnis:
Syringohydromyelia in Cavalier King Charles Spaniels Journal American Animal Hospital Associate 36 34-41. Rusbridge, C & Knowler S.P (2003) Inheritance of occipital bone hypoplasia (Chiari I malformation) in Cavalier King Charles spaniels Veterinary Record
Artikel VK- Kleinhunde Spezial 06/2005
www.cavaliere-vom-icc.de/index2
www.cavalierhealth.org/eyes
www.tier-augenheilkunde.de/wissen/erbkr.
Episodic falling (EF):
Die Krankheit äußert sich durch vorübergehend, in Episoden (episodic) auftretende Bewegungsstörungen. Es kann auch vorkommen, dass der Hund mitten in der Bewegung innehält und er unfähig ist, die Füße voreinander zu setzen, dabei hält er den Kopf gesenkt oder zu einer Seite gedreht.
Desweiteren äußern sich Symptome wie ein plötzliches Umfallen (falling) des Hundes mit Krämpfen der Gliedmaßen, auch die Gesichtsmuskulatur kann betroffen sein. Der Hund ist, ähnlich wie bei Epilepsie, während eines solchen Anfalls nicht in der Lage seine Bewegungen zu kontrollieren bzw. bewusst zu steuern.
Anders als bei Epilepsie, wo der Hund während eines Anfalles seine Umwelt nicht wahrnimmt, ist er bei Episodic falling bei vollem Bewusstsein, d.h. er bekommt alles mit. Wenn der Besitzer also aufgeregt ist, überträgt sich dies auf den Hund, also versuchen ruhig zu bleiben und beruhigend auf den Hund einzuwirken.
Nach dem Anfall ist der Hund sofort wieder „normal“ kann aber auch ein erschöpft sein und schlafen wollen.
Diese Krämpfe haben eine neurologische Ursache.
Curly coat dry eye syndrome (CC) (Ichtyosis keratokonjunctivitis sicca):
Diese Erkrankung mit genetischer Dispostion äußert sich durch chronische Rötung und Entzündung der Sclera (Aderhaut) des Auges, oftmals begleitend mit einer Konjunktivitis (Bindehautentzündung) mit gelb-grünem Ausfluß.
Durch Autoimmunprozesse, d.h. der Körper richtet sich gegen sich selbst, werden die Tränendrüsen langsam zerstört.
Das Auge trocknet aus und ist chronisch gereizt. Dies ist für das Tier sehr schmerzhaft und es versucht oft die Augen an Gegenständen, auf dem Boden oder mit der Pfote zu reiben, um dem Schmerz zu entgehen.
Die Zerstörung der Tränendrüsen ist nicht aufzuhalten, sondern nur durch lebenslange und konsequente Substitution von Immunsuppressiva und Augensalben-tropfen, die “Tränen” zu ersetzen, bzw. das Fortschreiten der Erkrankung einzudämmen.
Curly coat dry eye syndrome:
Hierbei ist das Syndrom des “trockenen Auges” extrem und in schlimmerem Umfang ersichtlich- als vorangegangen beschrieben- kombiniert mit Veränderungen der Haut und Fellstruktur, schon beim Welpen ersichtlich.
Die Welpen kommen mit einer lockigen harschen Fellstruktur zur Welt.
Die Haut ist trocken und schuppig (Seborrhoe) und chronisch entzündet. Meist sind die Fußballen betroffen, aber auch die Zähne und das Zahnfleisch können befallen sein.
Dr. Keith C. Barnett, OBE MA PhD BSc DVOphthal FRCVS DIpECVO, European Specialist in Veterinary Ophthalmology empfiehlt daher eine Euthanasie betroffener Welpen als die einzig humane Lösung, da trotz konsequenter und täglicher Behandlung das Leiden der Welpen nicht ausreichend gelindert werden kann und sie ihr Leben lang nicht richtig laufen können, bzw. nur Schmerzen leiden.
Ursache dieser Erkrankungen ist ein einfach, autosomal rezessives Gen. Das bedeutet, dass es nur dann betroffene Welpen gibt, wenn der Welpe von beiden Elterntieren ein krankes Gen bekommen hat. Hunde, die ein krankes Gen haben, sind selbst unauffällig, können aber mit einem Verpaarungspartner, der auch das Gen trägt, mit 50 %-iger Wahrscheinlichkeit betroffene Welpen zeugen.
Animal Health Trust (AHT), ein Labor in England, verfügt seit 18.April 2011 über die Gentests der beiden erblichen Erkrankungen episodic falling und curly coat dry eye syndrome.
Ein gewissenhafter Züchter wird seine Zuchthunde diesem Gentest unterziehen, um keine kranken Welpen zu riskieren!
Mit betroffenen /affected Tieren darf nicht gezüchtet werden!
Symtomlose Genträger /carrier werden trotzdem in der Zucht verwendet, jedoch nur mit einem Partner angepaart, der genetisch frei ist von diesen Defekten.
Diese Zuchtstrategie, wird bei anderen Rassen ebenfalls angewendet und hat den Sinn, dass
keine kranken Welpen geboren werden können
trotzdem die Zuchtbasis nicht massiv eingeschränkt werden muß, da sonst wieder die Gefahr der Inzucht besteht.
Wenn beide Elterntiere genetisch frei/clear getestet sind, brauchen die Nachkommen aus diesen nicht getestet werden, da sie keine Genträger sein können.
Meine Zuchttiere sind ebenfalls getestet worden auf CC und EF.
© Doris Steger im August 2011
Literatur/Quellennachweis:
Elke Grabhorn (Episodic falling)
Dr. Kathrin Lange, ICC Hauptzuchtwartin
www.cavalierhealth.org
Animal Health Trust (AHT) HP-Info
http://www.aht.org.uk/genetics
Doris Steger - 18:07 @ Wissenswertes